El Anatsui. „Triumphant Scale“
Heute war ich in der großen Retrospektive von El Anatsui im Haus der Kunst, es war wunderbar, obwohl es nicht mehr ganz so überwältigend war wie die erste Begegnung mit seinem enormen Wandteppich im Arsenale 2015. Damals sah ich ganz am Ende der langen Halle ein wandfüllendes Objekt im Halbdunkel geheimnisvoll glühen, ich näherte mich langsam und es blieb geheimnisvoll bis ich fast mit der Nase dranstieß. Ein riesiges, schwer fallendes Was-auch-immer, kostbar schimmernd wie Brokat, feingliedrig und üppig wie eine überbordende Jungendstil Wanddekoration aber dabei auch martialisch, abweisend wie ein Kettenhemd. Eine dekadente Versuchung? Eher ein triumphaler ästhetischer Sieg über die ehemals kolonialen Konsumgesellschaften: Das Teil war komplett aus Schrott, unserem Schrott! Genauer gesagt aus Kronkorken und Schraubverschlüssen von Spirituosen bekannter Allerweltmarken, kleinste Teile, unendlich aufwändig zusammengefügt mit Kupferdrähten. Es war unglaublich schön und ziemlich verunsichernd.
Diesmal hat mich vor allem die vitale Energie der Objekte und diese Kostbarkeit mit Suchtfaktor fasziniert, die aus der Kombination von neuer Wertschätzung für funktionslos Gewordenes mit viel Zeit und Liebe bei der Wiederverarbeitung resultiert. Lohnt sich sicher, diesen Aspekt zu vertiefen, wenn man über Recycling in der Mode nachdenkt.