Und ein Kopfstand

Vielleicht fange ich einfach am falschen Ende an, wenn ich mich durch das ganze Marktangebot zur neuen Saison arbeite, an meinen Auswahlkriterien feile, mir Beschränkungen auferlege: Das Ritual ist trotzdem aufs Kaufen fokussiert, selbst das „Homeshopping“ im eigenen Fundus, wie ja der Name schon sagt. Ich kann den Parcours immer schwieriger gestalten, aber am Ende steht doch der finale Fangschuss, Beute erlegt, Halali! (Erntekorb voll, für unsere veganen Freunde) Tja.

Was könnte die Gegenperspektive sein?

Ich bin da ganz zufällig auf was gestoßen. Wie Robinson gestrandet (durch den Corona bedingten Flugbann), abgeschnitten von meinen realen Beständen und auf meine virtuellen Kleiderschränke beschränkt, habe ich mich öfter mal sehnsuchtsvoll durch meine Alben geclickt. Und neulich habe ich beim Durchtindern angefangen, zwei neue Alben zu befüllen: Best ever Sommer und Winter! Komisch, dass ich da vorher nie drauf gekommen bin? Dabei habe ich mir durchaus Gedanken gemacht über die Garderobe meines Lebens, meinen Stil oder nicht Stil, welche Arten Kleider nur ein Stück Wegs mit mir gehen und welche bei mir bleiben. Ich habe die richtige Frage gestellt: „Was haben sie, das die anderen nicht haben?“ Aber offenbar war ich so sehr in der Kaufperspektive verhaftet, dass ich tatsächlich alle Ordner danach angelegt habe, wann ich die Teile erworben hatte!!!

Die best of Alben sind ganz anders entstanden, einfach aus dem Bauch raus, wie sehr mag ich das Teil, sehr genug für die Allzeit Lieblinge, rein damit. Natürlich sind das ziemlich viele Klamotten aus der letzten Saison, die mir noch nahe sind, nach hinten wird es dünner, bis vielleicht grade mal noch ein Stück pro Saison dabei ist und irgendwann bricht es ganz ab. Aber insgesamt gibt es ein erstaunlich klares Bild, da stehe ich! Es ist plötzlich ganz augenfällig, was zu mir gehört. Und was ich nicht alles diesen Sommer unbedingt wieder anziehen will, das da und das auch… fast schade, dass ich mir schon wieder so viele Sachen gekauft habe, so lang ist die Saison gar nicht!

 

 

Natürlich sehe die Welt immer noch mit dem suchenden Blick des Sammlers, auch wenn ich jetzt 2 best of Alben habe, denn das bin ich nun mal. Schon als Kind habe ich meine kunstbegeisterten Eltern mit einer Kitschsammlung geschockt, später habe ich mich dann phasenweise auf begrenztere Sammelgebiete verlegt, zum Beispiel Fischdosen, um dadurch das Ausufern auszubremsen. Sobald sich zufällig mehr als drei Teile einer Art bei mir ansammeln, finde ich das spannend und bin in Versuchung weiter zu sammeln, und wenn es nur Flaschen mit Macken sind, wo bei der Massenproduktion irgendwas daneben gegangen ist, interessant. (Die Flaschen waren die raumgreifendste Sammlung, die ich jemals angelegt habe, es gibt erstaunlich viele unperfekte Exemplare, irgendwann sah meine Wohnung aus wie eine Pfandflaschenrücknahmestelle.).

Ganz klar, dass ich auch meine Kleidung sammle. So, wie ich früher freudig erregt über Flohmärkte gezogen bin um mit scharfem Auge im großen Angebot eventuelle Fischdosen zu entdecken und herauszufischen, so lasse ich heute die Mode der Saison an mir vorbeidefilieren bis ich ein Teil für meine persönliche Sammlung der Saisonhighlights erspäht habe – und jetzt auf einmal diese Beißhemmung! Kein Wunder, dass mir die Umsetzung der neuen Ideen aus dem Fundus zwar Spaß gemacht hat, der aber nicht lange vorhielt, ich wollte doch eigentlich meine Sammlung der aktuellen Saisonstücke anlegen. Mit dieser Intention waren die Evergreens nichts als Ersatzbefriedigung.

Ganz anders in dem Moment, wo ich Stücke aus einer Sammlung zu einem neuen Display zusammenstelle: Da ist die Freude am Reichtum der Sammlung, die Erinnerung an die Geschichte einzelner Stücke, der experimentelle Prozess der Wahl und schließlich die Begeisterung über die Qualität des neukomponierten Ensembles. Ähnlich ist es ja auch beim Kofferpacken, man schält aus einer großen Auswahl eine funktionierende Teilmenge heraus  – ich war schon so nah dran mit meinem Capsule Experiment! Musste man nur noch vom Kopf auf die Füße stellen wie der Marx den Hegel….vom Kurator, der fremde Werke selektiert, zum Kreator, der seinem inneren Programm folgt und einbaut, was er an passendem Neuen findet. Nicht mit dem Zeitgeist flirten, Zeitgeist sein. Pah – wenn das nicht revolutionär ist, ein echter Umsturz!

In Zukunft werde ich tragen, was ich gerade besonders spannend finde. Kaufen natürlich auch, aber keinen repräsentativen Saisonquerschnitt, nur was zu meinem momentanen Spleen passt. Da mein Gespür für Trends ausgeprägt ist (und geschult, war schließlich ein wesentlicher Teil meines Berufs), könnte das gut zusammengehen. Spaß wird´s auf jeden Fall machen, ob ich dann weniger kaufe muss sich erst weisen, da bin ich mittlerweile vorsichtig geworden.

War übrigens auch interessant zu erfahren, was bei diesem intuitiven best-of Selektionsprozess komplett rausgefallen ist. Neben den „Einsaisonsfliegen“ mit den Keulenärmel oder sonstigen Auswüchsen ist das eine eher unauffällige Spezies, die sich hartnäckig in meinem Repertoire behauptet: Die Longshirt/Schlabberhosen Kombi! Im Sommer aus T-Shirt und im Winter aus Sweatshirt Stoff, natürlich in den Farben und Prints der Saison, schleicht sie sich gerne sogar mehrfach auf meine Einkaufsliste um dann relativ schnell in der Nachthemdschublade zu verschwinden. (War ja jetzt ganz praktisch, dass ich auch hier ein paar im Schrank hatte, geradezu prädestiniert für eine Quarantäne Garderobe.) Und diesen Sommer habe ich mir schon wieder zwei solche Kombis gekauft – habe spontan beschlossen, dass damit jetzt der Bedarf bis an mein Lebensende gedeckt ist!

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