Auf den Spuren einer Ästhetik der Nachhaltigkeit
Je mehr ich mich mit fairer und nachhaltiger Mode beschäftige, desto verwunderter bin ich darüber, wie wenig man ihr ansieht, dass sie nachhaltig ist. Das 100% faire und nachhaltige T-shirt sieht aus, wie jedes andere gute Baumwollteil auch – oder eben bewusst birkenstocky, was auch nur eine begrenzte Zielgruppe glücklich macht. Offenbar gibt es nur Gutmenschenkleider (nachhaltig, aber keine Mode), oder Gutgekleidetenkleider, (als „normale“ Mode getarnt). Coole Klamotten, denen man ansieht, dass da eine Fairfashionista drinsteckt? Fehlanzeige. Mode, die nicht zeigt wer ich bin, nicht ausdrückt, um was es mir geht? Was soll das sein? Ok, Nachhaltigkeit ist primär ein Vernunftsthema, aber Aufgabe der Mode wäre, es sexy zu machen. Ich frage mich, wer sich für diese gringelten Kopfgeburten wirklich begeistern kann (so sehr, dass er dafür gerne deutlich mehr bezahlt) – ich jedenfalls nicht.
Natürlich gibt es große Marken/Modeschöpferinnen wie Vivienne Westwood und Stella McCarthy , die ihre Marke nachhaltig aufgestellt haben, Statement Kampagnen verbinden die nachhaltige Aussage mit der Marken DNA und wer die Marke erkennt weiß auch um das Statement. Models mit Transparenten und Spruchbändern auf den Shows, Klamotten mit aufgedruckten oder eingestrickten Botschaften. Buy less/Style up – Vivienne bringt es wie immer auf den Punk(t): Fashion Revolution mit 68er Appeal, holy shit! Damals haben wir die Parolen selbst aufs Military Shirt oder den Parka gepinselt, bei Westwood lässt man pinseln – auf einem Preisniveau, das seinerseits für viele eine effiziente Kaufbremse darstellen dürfte…im Gärtnerplatz Viertel findet man sowas eher nicht. Auch nicht Bethany Williams, eine junge Designerin, die ich ganz spannend finde, weil ihre Mode im Kontext von Projekten entsteht, die man als Konzeptkunst bezeichnen könnte. Ich weiß nicht wirklich, ob mir die Sachen gefallen, sehr bunt und irgendwo zwischen Basquiat und Jurte angesiedelt – definitiv neue Optik, aber ob man daraus eine Ästhetik der Nachhaltigkeit ableiten könnte? Dazu sind ihre Sachen wohl zu singulär.
Ich bleibe auf der Suche, wohl wissend, dass eine Ästhetik der Nachhaltigkeit ein vorübergehendes Phänomen sein sollte. Irgendwann wird nachhaltige Mode hoffentlich Standard sein und der Fairfashionista hat sich erledigt. Tja, Leute, an ihren Siegen sind schon viele Revolutionäre letztlich gescheitert.