Merkwürdigerweise scheinen viele Menschen, oder zumindest viele von denen, die darüber schreiben, den Weg zu einem nachhaltigen Kleiderschrank mit dem Ausmisten zu beginnen. Das mag Feng-Shui mäßig befreiend sein, aber nachhaltig? Ein Kernsatz der Nachhaltigkeit ist es doch, seine Dinge länger zu nutzen. Warum also hochwertige Kleidung entsorgen, die ich mit Begeisterung gekauft habe und die keine unerhebliche Investition war?
Keine Missverständnisse, ich plädiere nicht dafür den Kleiderschrank bis zum Anschlag vollzustopfen! Ein übervoller Schrank präsentiert keine Fülle zur Auswahl, sondern verwehrt eher den Zugang zu den angesammelten Schätzen und kann einen schon in den Ich-habe-nichts-anzuziehen-Konsumwahnsinn treiben. Wobei ich, wie wahrscheinlich alle Fashionistas, so gut wie nie was Neues kaufe, weil „ich nichts anzuziehen habe“, sondern eigentlich immer, weil ich das Teil unbedingt haben will. (Von Käufen für bestimmte Anlässe mal abgesehen.) Dass Schränke sich hauptsächlich mit Ich-habe-nichts-anzuziehen-Panik-Fehlkäufen füllen halte ich für eine gewagte These, und auch die Gleichung viel Stil = wenig Klamotten geht im Umkehrschluss nicht auf. Da kann ich euch nicht folgen, liebe Freunde des gefüllten Müllsacks! Ganz im Gegenteil: Ich bin der Meinung, der nachhaltige Kleiderschrank hat als Grundvoraussetzung einen ordentlichen Fundus.
Früher habe ich dem von wem auch immer aufgestellten Diktat folgend, alles weggeworfen, was ich in den letzten 2 Jahren nicht getragen hatte. Oder, noch schlimmer, es ohne Lust angezogen, nur damit ich das Teil behalten darf (und dann am Ende der Saison in die Reinigung geben, obwohl nur einmal getragen). In den letzten Jahren habe ich dann zwar Sachen weggepackt um Platz für meine Neuerwerbungen zu schaffen, aber kaum mehr was weggegeben. Vorgeblich aus Vernunftsgründen: Kleidersammlungen sind ja nicht so nützlich, wie man immer dachte. (Vieles landet nicht im Recycling sondern als Ware in den Entwicklungsländern und das billige Überangebot macht vielerorts die traditionelle heimische Textilindustrie kaputt.) Der tatsächliche Grund ist aber, dass ich mich von meinen gesammelten Schätzen nicht trennen will – nur anziehen will ich sie halt gerade nicht. Aber so in Tüten verpackt, wie sie da herumstehen, sind sie doch fast verloren und halbwegs auf dem Weg zur Tonne.
Deshalb werde ich mein ganz persönliches Kleiderschrank Projekt mit dem Kauf von ein paar zusätzlichen Schränken starten: Schluss mit dem klassischen Winter/Sommerschrank System, endlich ausreichend Platz, um meine vielen Schätze griffbereit aufzubewahren. So, dass ich daraus immer wieder aktuelle Outfits zusammenstellen kann, die mein Fashionista Herz höher schlagen lassen. Ich habe nicht vor, mir in Zukunft nichts mehr zu kaufen, aber weniger sollte ohne Verlust von modischer Lebensqualität möglich sein.
Beschränkung mag ein guter Weg für Menschen sein, die einfach nur nachhaltig gut gekleidet sein wollen, für Fashionistas sind Schränke die bessere Wahl!