Was für ein Schock: Die Mode, die für mich Identität, Ausdruck, Kommunikation und kreativer Prozess ist, die mich anregt, herausfordert, bestätigt, glücklich macht – sie ist böse! Ich habe ein schlechtes Gewissen, seit ich mir endlich bewusst wurde, dass Mode oft unter unmenschlichen Bedingungen hergestellt wird, Ressourcen verschwendet, die Umwelt mit Chemikalien belastet, Kunststoffe enthält, die wir alle dann via Waschmaschine als Mikropartikel in die Gewässer bringen, und, und, und. Möchte ich auf Mode verzichten? Niemals! Möchte ich weiter dazu beitragen, dass unsere Kinder in einer zerstörten, von Überlebenskonflikten gezeichneten Welt leben werden? Natürlich nicht!

Also nachhaltige Mode? Ein nachhaltigerer Umgang mit Mode?

Nachhaltigkeit ist für mich eigentlich kein fremdes Thema. Ich habe gerade zusammen mit einem Produktentwicklungsteam ein großes Projekt durchgeführt, das sich damit beschäftigt wie Verpackungen und andere Drucksachen in Zukunft umweltfreundlich veredelt werden können. (Die Dokumentation ist unter dem Titel „ECOVAGANZA“ online zu sehen). Trotzdem habe ich mir tatsächlich nie Gedanken darüber gemacht, dass ich mit meinem extensiven Modekonsum Schaden anrichten könnte, unfassbar! Ich war natürlich gegen die billige Wegwerfmode, die andere kaufen, obwohl sie doch offensichtlich nur deshalb so billig sein kann, weil sie von Näherinnen am Existenzminimum in einsturzgefährdeten Altbauten hergestellt wird. Aber wer wo unter welchen Bedingungen die nicht ganz so billigen Teile herstellt, die ich gerne trage – keinen Schimmer. Ich habe vielleicht mal flüchtig an die Euros gedacht, die ich gerade in der Tonne versenke, wenn ich mal wieder 2 bis 3 große Tragetaschen zaudernd zur Kleidersammlung brachte. (Ich gebe halt nicht gern was weg.) Aber an verschwendete Ressourcen? Nie!

Ich habe brav den Müll getrennt und statt Frischhaltefolie Teller auf Schüsseln gestellt, habe mit der Stofftasche eingekauft und mich gefreut, als man in meinen Lieblingsshops Tragetaschen aus Papier statt Plastiktüten einführte – und dann darin bedenkenlos tonnenweise Klamotten nach Hause getragen? Es ist schon merkwürdig, wieviel präsenter Kohleausstieg, Plastik im Ozean, Elektroautos, ja sogar Energiespar Lampen in der öffentlichen Diskussion stehen als Kleiderwahn und Wegwerfmode- obwohl die Bekleidungsindustrie ganz oben auf der negativen Liste steht. (Nach manchen Quellen sogar auf Platz 2, aber ich kann das nicht überprüfen.) Liegt es daran, dass Rana Plaza weit weg ist, dass desaströser Baumwollanbau, Färben, Bleichen und der ganze Dreck und die Energieverschwendung am anderen Ende des Globus passieren? In Deutschland stehen ja nur noch die sauberen Einkaufszentren, die höchstens ein bisschen Abluft aus den Klimaanlagen pusten…ach ja, und überall die Kurierfahrer, die die Pakete aus dem Onlinehandel zu uns nach Hause bringen. Irgendwann fängt man dann doch an, darüber nachzudenken, ein bisschen dazu zu recherchieren und sich einzulesen. Und da ist er dann, der Schock.

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