Fair Fashion Fair

Ich war 3 Tage in Berlin und habe die Neonyt besucht, die internationale Messe für nachhaltige Mode bzw. „Der globale Hub für Mode, Nachhaltigkeit und Innovation“, wie sich die Veranstalter berühmen. Ich nehme mal an, der Anspruch gründet sich vor allem auf die Tatsache, dass es halt sonst noch niemand gibt, der zu dem Thema eine Messe veranstaltet. Aber man muss ja mal klein anfangen, eine kleine Messe für eine kleine Insider Szene, total ok. Die Location im ehemaligen Heizkraftwerk macht unmittelbar verständlich warum man bei derartigen Betonbauten von Brutalismus spricht, ist aber leider sehr angesagt. Auch das von mir sehr geschätzte DMY, das internationale Design Festival, früher in den luftigen Hangars in Tempelhof veranstaltet, hat sich mittlerweile hier angesiedelt. Nun gut, düster aber stylisch. Angenehm überrascht war ich vom Publikum, einiges an Fashionistas unterwegs, in Outfits, auf die man schon heimlich noch einen zweiten, intensiveren Blick werfen mochte. Wobei ich eher nicht glaube, dass es sich dabei um ökologisch korrekte Klamotten handelte, jedenfalls war an den Ständen wieder nur die übliche Mischung zu finden: Birkenstocky & Co., „Sieht-aus-wie-normale-Mode-ist-aber-nachhhaltig“ plus eine Prise Recycling-Folklore.

Natürlich waren auch ansprechend schöne Sachen dabei, ein unglaublich weiches Ziegenleder, aus Nepal glaube ich, hier leider bisher nicht erhältlich, die pfiffigen Recyclingtaschen von Facteur Celeste oder die digitalgestrickten Mäntel mit Fotomotiven aus der Taiga von Nic Lodc. Am besten gefiel mir der Auftritt von ein paar toughen Omas unter dem Motto „Was soll die Aufregung, Up-cycling haben wir doch immer schon gemacht“ (allerdings waren ihre Sachen so sexy wie die Kitteletts meiner Tini-Oma). Auffallend, wie viele Leute zur Zeit mit Kork experimentieren, als Material für Schuhe und Taschen hat das einen gewissen Verfremdungseffekt der schon ganz interessant ist, ich weiß trotzdem nicht, ob ich´s mag. Vor allem traue ich dem Frieden nicht ganz, diese hauchdünnen Korkblätter müssen irgendwie fixiert sein und aus den gelegentlichen Löchern glänzte es verdächtig…sah eigentlich genau so aus, wie die auf PVC aufgezogene Ware, die ich aus der grafischen Anwendung kenne. Insgesamt hat mich diese Messe leider auf meiner Suche nach einer Ästhetik der Nachhaltigkeit nicht wirklich weiter gebracht.

 

Am nächsten Tag bin ich lieber auf die Seek, die man mit derselben Eintrittskarte besuchen konnte. Diese Messe versteht sich als Street-Culture-Institution – ja, genau so! – und zeigt einen „progressiven Mix aus Upper Streetware und Urbanwear“, na dann. Und tatsächlich, da waren sie wieder, die interessant gestylten Typen, diesmal auch auf den Ständen! Und Überraschung: Überall sah man nachhaltige Marken und solche, die sich zumindest nachhaltig gerierten. Wieviel Green-washing dabei war kann ich nicht beurteilen, aber viel spannende Mode war auf jeden Fall zu sehen. Vieles sah nach up-cycling und Wiederverwertung aus, war vermutlich Fake, denn Up-cycling in Massenproduktion? Jedenfalls deutlich schicker als bei den Vintage Omas, und ja, das könnte man als nachhaltige Ästhetik gelten lassen, heureka! Leider konnte man als reingeschmuggelter Endverbraucher nix davon kaufen, die Seek ist nur für den Handel gedacht. Aber ich bin mal neugierig, wieweit das im nächsten Frühjahr in den Läden zu sehen sein wird.

 

Nach diesem Frust durch aufgezwungene Kaufhemmung war absehbar, dass sich der Lauf der Dinge nichtmehr aufhalten lies: Am dritten Tag bin ich shoppen gegangen, in den Flagshipstores meiner Lieblingsmarken, in einigen ambitionierten Lädchen und bei Avantgarde Brands, die ich in Berlin kenne, bei Esther Perbandt z.B. und selbstverständlich bei Lala Berlin – ich komme ja sonst nie hin. Es war Summer Sale und die ersten Teile der neuen Ware waren auch da – ganz ehrlich, ein Milestone auf dem Weg zum Fairfashionista war dieser Berlintrip nicht. Aber ich glaube, ich habe nichts gekauft, was nicht in die Garderobe meines Lebens eingehen wird, nur lauter geile Teile…

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