Gestern habe ich die ganz alten Sommersachen vorsorglich schon mal durchgesehen, die, die man eventuell schon vergessen hatte und die jetzt vielleicht wieder spannend sein könnten (Ihr wisst ja, im Januar, wenn der Föhn…). Ich habe eine Bluse von Annette Görtz und den alten Streifenanzug rausgezogen, aber irgendwie fehlte da was – die Anziehungskraft, die Kleider zu Mode macht.
Natürlich habe ich überlegt, ob ich was ändern lassen sollte, „Remagisierung“ durch Upcycling ist ja ein absolut spannendes Thema: Da muss Fairfashionista nicht knapsen wie beim Shopping, sondern kann sich ausleben und Schrankleichen wiederauferstehen lassen! Und man tut gleichzeitig was wirklich Gutes, wenn man sich darum kümmert, dass die Sachen, die man so nicht mehr tragen mag, tatsächlich ihren Weg zurückfinden in ein aktives Klamottenleben.
Vielleicht nicht unbedingt in meinem Schrank, irgendwann wird mein Fundus einfach so groß, dass ich mich dreimal am Tag umziehen müsste, um die Sachen öfter zu tragen. Wenn ich mir also weiterhin „Zufluss“ vom Markt erlauben möchte – und, ja, will ich, definitiv! – dann brauche ich ein Wiederverwertungsprogramm, nicht „nach mir die Kleidersammlung“! Andersrum gedacht, je mehr „Abfluss“ zurück in den Markt ich zuverlässig organisieren kann, desto mehr frische Ware kann ich mir erlauben – und das Fairfashionista Ziel trotzdem erreichen.
Klingt jetzt fies, sollen doch die anderen den Müll auftragen, ist aber nicht so gemeint, denn die frische Sachen dürfen gerne getragen sein, sofern sie trotzdem lebendig und cutting edge sind! Tatsächlich würden sie mir up-cycelt sogar ganz besonders gefallen, weil dieses Gewendete und Aufgepimpte genau dem entspricht was ich mir unter Fair Fashion Ästhetik vorstelle, Klamotten, die nicht nur unsichtbar besser sind sondern ihre – meine – nachhaltige Qualität auch ausdrücken.
Eines der (wenigen) gelungenen Beispiele für Up-cycling: Schal aus Resten anderer Umarbeitungsprojekte. Er pimpt das Speicher Outfit interessant auf!
Die Frage ist, wie schafft man diesen alternativen Markt, der eine andere Qualität bietet als Flohmärkte, Kleidertauschparties oder entsprechende Tauschbörsen im Netz? Eigentlich sind das zwei Fragen, wie erreicht man eine hohe Qualität und welche Vermarktungskonzepte könnten funktionieren? Trotzdem führen sie zur selben Antwort: Die beste Lösung wäre es, wenn die eingeführten Marken Up-cycling in ihre Produktion integrieren würden. Es gehört zum Grundwissen Marketing, dass es weitaus einfacher ist, neue Produkte an vorhandene Kunden zu verkaufen als an neue, zweimal neu verdoppelt die Herausforderung. Logisch, vorhandene Kunden vertrauen einer bekannten Marke und sind bereit, ihr auch auf Neuland zu folgen – und Modemarken sind besonders gewandt in dieser „Ver-führung“. Sie beherrschen die Kunst, jede Saison wieder neue Kollektionen zu kreieren, ihre Kunden immer wieder aufs Neue begeistern. Und das ist natürlich die entscheidende Voraussetzung dafür, dass Up-cycling funktioniert, das Zeug muss Suchtfaktor haben!
Hand auf´s Herz, habt Ihr nicht auch schon mit Up-cycling experimentiert, das eine oder andere Teil verändert? Ich habe – und es hat einen sehr guten Grund, warum ich es hier nicht zeige! Meine „Designs“ erreichen bestenfalls Pinterest Standard, mit Betonung auf bestenfalls. Dort sieht man zwar inzwischen einige nette Sachen, die Qualität ist in den 10 Monaten erheblich gestiegen, in denen ich das Thema verfolge. (Was allerdings nicht so schwierig war, damals ging es im Wesentlichen noch darum, Hundekissen aus alten Pullovern zu machen und dergleichen mehr, eine umhäkelte Klorolle war funky dagegen!) Aber edgy ist das alles nicht – ist Up-cycling etwa ein Thema für Gutangezogene? Nein, ich glaube das Problem liegt einfach daran, dass hier Design von Nicht-Designern gemacht wird. Wenn die Marken sich des Themas nicht annehmen, dann bräuchten wir vielleicht sowas wie „Burda Schnitte*“ für Up-cycler….
*Für jüngere Semester: Aenne Burda brachte in den Nachkriegsjahren Chic in deutsche Kleiderschränke. Sie lieferte Schnitte in den von ihr erstmals definierten Konfektionsgrößen, nach denen sich Mutti was Modisches schneidern konnte, inklusive Einführung in die erforderlichen Techniken – ein Quantensprung!